Autonomes Fahren – Wirklich eine so gute Idee?
Es gab in den letzten Jahren inkrementelle sowie stetige Fortschritte bei der Entwicklung von selbstfahrenden Autos. Eine Form der Fahrerassistenztechnologie, die sich in der Regel auf Sicherheitsfunktionen und kleinere Annehmlichkeiten konzentriert, ist mittlerweile in den meisten neuen Fahrzeugen enthalten. Doch wie kann bei Verbrauchern Vertrauen in weitergehende Automatisierungen geschaffen werden? Und dann ist da natürlich noch die alles andere als triviale Frage, was autonomes Fahren überhaupt bedeuten würde, wenn es im großen Maßstab angewendet würde:
- Was würde das für die Logistikbranche bedeuten, in der Millionen als Fahrkräfte arbeiten?
- Welche rechtlichen Implikationen und Konsequenzen hätte es, wenn ein autonom gelenktes Fahrzeug einen Unfall verursachen würde?
- Und nicht zuletzt: Wie zuverlässig lassen sich Testergebnisse (die oft bei schönem Wetter und in trockenen Wüstenumgebungen erzielt werden) auf das Fahren unter realen Bedingungen (wie Regen, Nebel oder Schnee) übertragen? Insbesondere eingedenk der Abhängigkeit von Sensoren.
All das führt in Summe zu der Frage, wie gut die Idee des autonomen Fahrens überhaupt ist. Ist es die Zukunft oder ein klassischer Fall von „Overengineering“?
Wann ist Fahren überhaupt „autonom“ und wie weit sind wir?
Es gibt sechs definierte Stufen von Fahrzeugautomatisierungssystemen. Im Moment sind wir auf Stufe zwei (nach Ansicht der meisten Experten) – mit Autos, die in der Lage sind, Lenkung, Beschleunigung und Bremsen zu kontrollieren, während die Fahrer immer noch sehr aktiv am Ball bleiben müssen. Level-5-Autonomie würde vollständig „fahrerlose“ Autos bedeuten. Aber der Übergang in diese abenteuerlich klingende Zukunft verlief bislang nicht immer reibungslos. Es gibt viele technische Probleme. Und der Hersteller Tesla, der in dieser Hinsicht lange Zeit als das führende Unternehmen angesehen wurde, hat gezeigt, dass er die Fortschritte seiner autonomen Fahrtechnologie übertrieben dargestellt hat. Als die entsprechenden Vehikel auf den Straßen im tatsächlichen Verkehr getestet wurden, zeigten die Systeme, dass sie weit davon entfernt sind, vollständig autonom zu sein. Selbst große Tesla-Enthusiasten waren ernüchtert, wie unfassbar oft sie eingreifen mussten.
Spannungsfreie Aufmerksamkeitsspanne
Unter den autonomen Gimmicks im Jahr 2022 war die neueste Ausgabe des Honda Civic. Eines der Features des aktuellen Standard-Honda Civic ist, dass er selbst die Straße hinunterfahren kann, um dann sanft hinter einem stehenden Auto anzuhalten. Honda macht jedoch sehr deutlich, dass das System nicht dazu bestimmt oder in der Lage ist, das Ende einer Straße zu erkennen. Dementsprechend wird das System nicht als „selbstfahrend“ vermarktet. Es liegt also in der Verantwortung der fahrenden Person, jederzeit die Kontrolle zu behalten. Bei einem so kleinen Gimmick, das ohnehin vollkommen optional ist, mag das unschuldig genug sein. Doch steckt hierin bereits eine Frage, die einen weit größeren Schatten wirft, wenn wir sie gedanklich auf ein vollkommen autonom fahrendes Fahrzeug beziehen.
Sobald solche Systeme die meiste Zeit gut funktionieren, werden viele Fahrer nicht bereit sein, wenn die unvermeidliche Ausnahme in Aktion tritt. Denn menschliche Aufmerksamkeit funktioniert nicht gut, wenn sie nur bei jedem zweiten Vollmond und dann auch noch abrupt benötigt wird. Autonomes Fahren würde die Fahrer höchstwahrscheinlich zwingen, die Hände am Lenkrad zu behalten, falls etwas passiert. Und sei es nur, weil es ihre rechtliche Verpflichtung wäre. Aber wenn etwas schief geht, muss die Reaktion höchstwahrscheinlich unmittelbar erfolgen. Und diese beiden Dinge widersprechen sich stark. Wenn Menschen mit einer laufenden Aufgabe konfrontiert werden, wie dem Lenken eines Autos, wird das ihre Aufmerksamkeit von Anfang an direkt auf sich ziehen und sie beschäftigt halten. Aber wenn sie die ganze Zeit nichts tun müssen, bis sich das potentiell in Sekundenbruchteilen ändert und möglicherweise eine Frage von Leben und Tod ist, ist dies eine gänzlich andere Konstellation. Die Hände sind am Lenkrad, aber die Gedanken sind frei (die Lichter sind an, aber niemand ist zu Hause). Denn Autofahrer werden zwangsläufig ihre Aufmerksamkeit verstreichen lassen, wenn alles wochenlang, monatelang, jahrelang ohne ihr Zutun wunderbar funktioniert ….. bis das von jetzt auf gleich auf einmal nicht mehr der Fall ist. Von 0 auf 100 in sofort!
Artefakt eines widersprüchlichen Zeitgeistes
Wir leben wirklich in sonderbaren Zeiten. Einerseits werden wir, berechtigterweise, zu mehr Sparsamkeit und Nachhaltigkeit ermahnt. Gleichzeitig gibt es jedoch ein Gottvertrauen in die Technik von morgen, die all unsere Probleme diesbezüglich lösen soll …. und dabei vollkommen blind für die Verschwendung ist, die sie selbst unweigerlich heraufbeschwören würde. Autonom fahrende Autos erfordern viel mehr Sensortechnik als bisherige Modelle. Autonome Fahrzeuge werden auch viel mehr Strom verbrauchen, weil so viel permanente Datenverarbeitung an Bord stattfindet. Auch würden die Anforderungen an die Reinlichkeit von Autos (und somit der Wasserbedarf) steigen. Denn ein verdreckter Sensor erfasst nichts. Was mit Blick auf mit Schneematch bedeckte Straßen nicht gerade beruhigende Szenarien aufwirft. Ganz zu schweigen davon, dass autonomes Fahren sich stark auf Kommunikation zwischen den Fahrzeugen sowie auf Kommunikation mit dafür konzipierten Umgebungsfaktoren stützt, was einen sehr engmaschigen Ausbau der 5G-Infrastruktur voraussetzt. Wie engmaschig? Am besten alle paar hundert Meter.
Theoretisch wäre ein System vernetzter Autos mit einem absoluten Verständnis dafür, welche Aktion in welcher Reihenfolge ausgeführt werden, tatsächlich viel sicherer als menschliche Fahrer. Theoretisch ….. Doch das Vorhandensein externer, naturgemäß unberechenbarer Faktoren, wie Fußgänger, schlechtes Wetter, herabstürzende Äste, Wildwechsel oder schlecht gesichertes Transportgut, kann diese selbstfahrende Utopie im Handumdrehen stören.